Bericht: Handel in der halleschen Innenstadt - Sorgenkind oder Sonntagskind?

Veröffentlicht am 22.12.2017 in Ortsverein

102 % - diesen Wert hat die letzte Erhebung der sogenannten "Einzelhandelszentralität" für die Stadt Halle ergeben. Hinter dem abstrakten Begriff verbirgt sich eine Messgröße für das Kaufverhalten. Je höher die Kennziffer über 100 % liegt, umso höher ist die Anziehungskraft der Stadt für das Umland. Der im Verhältnis recht niedrige Wert ist bereits ein möglicher Hinweis auf die Schwierigkeiten des Einzelstandorts in der Konkurrenz zur Nachbarstadt Leipzig und gegenüber den MitbewerberInnen auf der "Grünen Wiese". Auch der Rückgang von Verkaufsflächen und eine vergleichsweise niedrige Kaufkraft von 88 % geben Anlass zur Sorge. So titelte die Mitteldeutsche Zeitung noch Ende August 2017: "Geschäftesterben in Halle - Innenstadt leidet unter zu geringem Umsatz".

Gleichzeitig möchte man meinen, dass die stetig wachsende Großstadt Halle als attraktiver Wohnort mit einem reichhaltigen kulturellen Angebot einiges an Potential für EinwohnerInnen und Gäste bietet. Grund genug für den Ortsverein Halle-Mitte, sich mittels eines Diskussionsforums mit den Problemen aber auch den Potentialen und Chancen des Einzelhandelsstandorts zu beschäftigen. Das Podium bestand neben unserer Moderatorin Katharina Hintz, stellvertretende Ortsvereins- und Fraktionsvorsitzende, aus vier PraktikerInnen, die - wie sich schnell zeigte - für den Standort Halle brennen und sich in ganz unterschiedlicher Form für ihn einsetzen. Bevor es zur Diskussion mit dem Publikum kam, hatten die Gäste die Gelegenheit zum inhaltlichen Einstieg ins Thema:

Beate Fleischer, stellvertretende Vorsitzende des City-Gemeinschaft Halle, betreibt seit vielen Jahren ein Dessous-Geschäft in der halleschen Innenstadt. Sie erklärte anschaulich, welchen Stellenwert Flexibilität und das Finden der richtigen Nischen für den Erfolg kleiner Läden hätten.

Robert Weber, Vorsitzender der City-Gemeinschaft und seit 2016 Geschäftsführer von Galeria Kaufhof, machte deutlich, dass "Große" und "Kleine" füreinander kein Problem darstellen würden, sondern im Gegenteil aufeinander angewiesen seien. Nur zusammen könnten sie ein attraktives Angebot bieten, das Kunden in die Stadt locke. Ambiente und Flair seien die Schlüsselmerkmale, um eben diese anzuziehen.

Janis Kapetsis, Betreiber der Agentur Kappe, war Hausherr unserer Veranstaltung im "Intecta Kreativquartier". Er erklärte das Konzept des Hauses, das sich aufgrund konkurrierender, öffentlich geförderter Angebote sowie mangelnder Kaufkraft anders entwickelt hätte, als ursprünglich angedacht.

Dr. Petra Sachse, Leiterin des Dienstleistungszentrum Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung der Stadtverwaltung, das zentraler Ansprechpartner für den halleschen Einzelhandel ist und im Rahmen der Flächenentwicklung das passende Umfeld gestaltet. Sie gab einen Ausblick darauf, dass derzeit in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer ein Maßnahmepaket für die Entwicklung des Einzelhandels geschnürt würde.

Die gemeinsame Diskussion brachte in der Folge viele grundsätzliche Erkenntnisse, wie zu aktuellen und zukünftigen Fragen der Mobilität. Gerade in Konkurrenz mit der „Grünen Wiese“ stellt sich die Erreichbarkeit der Altstadt als problematisch dar. Auch wenn das Konzept der autoarmen Innenstadt nicht generell in Frage gestellt wurde, sahen die DiskutantInnen doch erheblichen Verbesserungsbedarf bei der Schaffung und verständlichen Ausschilderung von Parkflächen rund um den Altstadtring. Wichtig sei aber auch die Förderung moderner Mobilitätskonzepte, wie ein kombinierter Verkehr inklusive mietbarer Wagen. Nicht zu kurz kommen sollte allerdings auch eine moderne und damit attraktive Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger.

Äußerst ambivalent wurde auch das Thema Online-Handel diskutiert. Während allen Beteiligten klar war, dass die größten Umwälzungen noch bevorstehen würden, legten sie auch dar, wie sich online und offline geschickt verknüpfen lässt. Aus Sicht von Janis Kapetsis biete der Onlinehandel die grundsätzliche Chance, über die eigene Stadt und das Umland hinaus, Kunden in der ganzen Welt zu finden. Deutlich wurde aber auch: der Mehrwert, den eine Innenstadt gegenüber dem Online-Handel aber auch der Grünen Wiese bieten müsse, sei ein Einkaufserlebnis, das ebenso Eventcharakter biete wie die Chance, auf Freunde und Bekannte zu treffen. Mit gemeinsamen Aktionen der HändlerInnen in der City-Gemeinschaft, wie z.B. dem inzwischen 13. Lichterfest, gäbe es hier schon erfolgreiche Traditionen.

Auf eine Frage zum Zustand des sogenannten „oberen Boulevards“ hin äußerte sich Frau Dr. Sachse positiv zur jüngsten Entwicklung und den Perspektiven der Fußgängerzone. Viele Häuser seien gekauft worden, Neubauten und Ausbauten am Riebeckplatz würden Chancen eröffnen, KünstlerInnen siedelten sich an und auch ein Gastronomiekonzept sei geplant.

Auch für die SPD-Politik in Stadt und Land boten sich verschiedene Ansatzpunkte sich weiter mit dem Thema Einzelhandel zu befassen. Von Meinungen zum Umgang mit dem demnächst fortzuschreibenden Einzelhandels- und Zentrenkonzept bis zu innovativen Ansätzen wie den "Business Improvement Districts" bot der Abend weitere Inspiration für ein Ziel, das letztlich allen Teilnehmenden am Herzen lag: die Stärkung des Einzelhandels in der halleschen Innenstadt und damit die zukünftige Bewahrung eines belebten Stadtkerns. Nicht zuletzt betonten die Anwesenden daher wie wichtig es sei, selbst vom eigenen Standort überzeigt zu sein, Vorbild im eigenen (Kauf-)Verhalten zu sein und Begeisterung auch nach außen auszustrahlen.

 

 
 

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